Osteoporotische Frakturen der Brust- und Lendenwirbelkörper: Diagnostik und konservative Therapie

2022-11-07 15:39:58 By : Mr. yongke liang

Hintergrund: Die Prävalenz osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen liegt in Europa bei 18–26 %. Obwohl der überwiegende Anteil dieser Verletzungen konservativ therapiert werden kann, liegen hierzu keine einheitlichen und klar definierten Konzepte vor. Im Beitrag wird der aktuelle Stand der Literatur zur Diagnostik und konservativen Therapie von osteoporotischen Frakturen der Brust- und Lendenwirbelkörper zusammengefasst.

Methoden: Die systematische Literaturrecherche zur Diagnostik und konservativen Therapie von osteoporotischen Frakturen der Brust- und Lendenwirbelkörper erfolgte in den Datenbanken PubMed und Web of Science Core Collection bis Mai 2020. 549 Artikel wurden identifiziert, von denen 36 berücksichtigt wurden. Dabei wurden die Bereiche Diagnostik, Hilfsmittelversorgung, medikamentöse Therapie, physiotherapeutische Maßnahmen und alternativmedizinische Behandlungen unterschieden.

Ergebnisse: Als Primärdiagnostik dient konventionelles Röntgen in zwei Ebenen (möglichst im Stehen) mit einer Sensitivität von 51,3 % und einer Spezifität von 75 %. Bei Frakturverdacht sind eine Magnetresonanztomografie (MRT) der gesamten Wirbelsäule und eine regionale Computertomografie (CT) indiziert. Bei insgesamt schwacher Evidenzlage zur Therapie besteht für die bewegungs-/physiotherapeutische Therapie mit drei Level-I- und vier Level-II-Studien die höchste Evidenz. Überwiegend zeigten sich Verbesserungen der Mobilität und Sturzangst. Zusätzlich kann eine Verwendung von Aktivorthesen nützlich sein. Zur medikamentösen Therapie und zu alternativmedizinischen Maßnahmen wurden keine Studien gefunden, die sich ausschließlich auf die konservative Therapie osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen beziehen.

Schlussfolgerung: Regelmäßige Kontrollen der Instabilität mittels Bildgebung sind über einen Zeitraum von sechs Monaten sinnvoll. Verlässliche Daten zur optimalen Intensität und Dauer der Physiotherapie sowie zur Anwendung von Orthesen fehlen bislang.

Die konservative Therapie von Wirbelkörperfrakturen der Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) ist unzureichend definiert. Dies betrifft sowohl traumatische Frakturen gesunder Wirbelkörper (1) als auch osteoporotische Wirbelkörperfrakturen. Dabei ist die Prävalenz osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen ungleich höher – so wird in Europa je nach Region eine Prävalenz von 18–26 % angegeben, wobei in Deutschland mehrheitlich Frauen betroffen sind (Faktor 2,4) (2, 3). Aufgrund der hohen Prävalenz der Osteoporose (4) und der demografischen Entwicklung ist mit einer deutlichen Zunahme dieser Frakturen zu rechnen (5).

In der Leitlinie des Dachverbands Osteologie e. V. (DVO) wird zwar die Genant-Klassifikation zur Einteilung der unterschiedlichen Frakturformen verwendet, jedoch hat sich im orthopädisch-unfallchirurgischen Bereich in den letzten Jahren die OF-Klassifikation (OF, osteoporotische Fraktur) etabliert (6, 7). Diese besteht aus fünf Untergruppen und basiert auf Röntgen, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) (Kasten) . Die OF-Klassifikation beschreibt die Frakturmorphologie. Sie reicht von der OF-1-Fraktur, dem intravertrebralen Ödem im MRT, bis hin zur OF-5-Fraktur, die durch ein Versagen der anterioren und/oder posterioren Zuggurtung gekennzeichnet ist, was einer Distraktions- beziehungsweise Rotationsverletzung knochengesunder Patienten entspricht. Die Klassifikation zeigt in einer Untersuchung mit 146 konsekutiv gesammelten Frakturen und sechs Auswertern eine substanzielle Reliabilität (Kappa 0,63) (6). Als Hilfestellung für die Auswahl der Therapiestrategie dient der OF-Score (eTabelle 1) , der neben der OF-Klassifikation den klinischen Verlauf und die Risikofaktoren mit erfasst und je nach Punktwert eine konservative Therapie (< 6 Punkte) oder eine operative Therapie (> 6 Punkte) empfiehlt. Die Anwendung des Scores könnte als Grundlage für eine einheitliche konservative Indikationsstellung dienen. Unzureichend geklärt sind jedoch die Inhalte der konservativen Therapie.

Ziel dieses Reviews war es, die Literatur systematisch nach Studien zur konservativen Therapie osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen zu durchsuchen, folglich den Stand der Evidenz für eine konservative Therapie osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule zu beschreiben und Empfehlungen für eine standardisierte konservative Therapie zu entwickeln. So besteht das mittelfristige Ziel, auf der Basis dieser Ergebnisse prospektive Studien zu initiieren, um die Evidenz auf diesem Gebiet zu erhöhen und die Therapiestrategie wissenschaftlich zu stärken.

Die Literaturrecherche bezieht sich auf akute Wirbelkörperfrakturen ohne adäquate Traumaanamnese. Die Ein- und Ausschlusskriterien für den Studieneinschluss sind in eTabelle 2 aufgeführt.

Es erfolgte eine systematische unabhängige Literaturrecherche durch zwei der Autoren (UJS, KJS) mit Einschluss aller Artikel bis zum 3. 5. 2020. Dabei wurden die beiden Datenbanken PubMed sowie Web of Sience Core Collection berücksichtigt. Eine Prospero-Registrierung ist erfolgt (CRD42020168694). Gemäß PICO-Schema (8) wurde als Fragestellung definiert: Lassen sich bei Patienten mit osteoporotischen Frakturen der BWS und LWS und konservativer Therapie diagnostische Maßnahmen sowie Therapien eher empfehlen als andere? Die Suchbegriffe sind im eKasten aufgeführt. Im Anschluss wurden alle Originalarbeiten analysiert (Evidenzgrad [9], Schlussfolgerungen). Es wurden folgende Themenkomplexe definiert:

Insgesamt konnten 549 Abstracts aufgerufen werden. Davon konnten 452 Artikel anhand des Abstracts oder Titels ausgeschlossen werden. Mehrheitlich wurden die Artikel ausgeschlossen, in denen andere Pathologien untersucht oder ausschließlich operative Verfahren evaluiert wurden. Insgesamt wurden 97 Artikel komplett gelesen. Davon mussten weitere 61 Artikel nach Lesen des gesamten Manuskripts ausgeschlossen werden. Gemäß PRISMA-Flussdiagramm wurden 514 Artikel ausgeschlossen, sodass 36 Artikel berücksichtigt werden konnten (10) (eGrafik) . Die 36 verbliebenen Originalarbeiten sind in Tabelle 1 (11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, e1, e2, e3, e4, e5, e6) zusammengefasst. Eine Qualitätsbeurteilung der vergleichenden Studien und Kohortenstudie ist in eTabelle 3 dargestellt. Eine detailliertere Darstellung der sieben Originalarbeiten mit Evidenzlevel I und II aus dem Bereich „therapeutische Maßnahmen“ erfolgt in Tabelle 2 . Zur Bewertung der Studienqualität der eingeschlossenen randomisierten Studien wurde die „Physiotherapy Evidence Database“(PEDro)-Skala verwendet (e7). Aufgrund der ansonsten meist geringen Evidenz der eingeschlossenen Arbeiten wurde eine narrative Wiedergabe und Diskussion der Ergebnisse gewählt, sodass keine systematische Berücksichtigung konfundierender Faktoren erfolgte.

Primär steht das konventionelle Röntgen in zwei Ebenen, wenn möglich im Stehen, im Vordergrund. Dabei werden eine Sensitivität von 51,3 % und eine Spezifität von 75,0 % erreicht; Frakturen werden mit einer Rate von 24,8 % korrekt diagnostiziert (11, 12). Dementsprechend wird bei Frakturverdacht eine MRT empfohlen, um eine therapeutische Unterversorgung der Frakturen zu vermeiden (11, 13, 14, 15, 16). Lenski et al. (14) empfahlen als Schlussfolgerung einer Registerstudie die Durchführung von „short-tau inversion recovery“(STIR)-Sequenzen der gesamten BWS und LWS. Mehrere Studien erarbeiteten anhand der MRT Prognoseabschätzungen, die für die Indikationsstellung zur konservativen Therapie wichtig sind (17, 18, 19, 20). Eine Alternative zur MRT scheint die „dual energy X-ray absorptiometry“ (DXA-Messung) zu sein. Jedoch zeigte eine retrospektive Fallserie, dass die Güte der Diagnostik nur bei erfahrenen Radiologen mit einer diagnostischen Genauigkeit von 95 % an die der MRT heranreicht (21). Bei Kontraindikationen für die MRT kann eine Skelettszintigrafie durchgeführt werden, wodurch laut einer retrospektiven Fallserie eine korrekte Diagnose frischer osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen in 96 % gestellt wurde (22).

Zum Zeitpunkt und zur Häufigkeit klinischer und radiologischer Verlaufskontrollen konnten Abe et al. (23) in einer prospektiven Verlaufstudie eine persistierende Instabilität von 4,9 ° nach drei Wochen, 2,9 ° nach 6–8 Wochen sowie 1,8 ° nach 24 Wochen anhand von vergleichenden Liegend- und Stehendaufnahmen nachweisen.

Neben der DXA-Messung erlaubt auch die volumetrische Knochendichtebestimmung mit quantitativer CT (QCT) wie auch die abdominelle CT eine Einordnung der Knochendichte und eine Aussage über das Frakturrisiko (24, 25, 26, 27, 28, 29, 30). So konnten Studien mit hohen Fallzahlen die klare Assoziation von niedrigen T-Werten bei der DXA-Messung mit osteoporotischen singulären sowie multiplen Wirbelkörperfrakturen wie auch mit dem Ausmaß der Nachsinterung nachweisen (24). Yu et al. verglichen im Rahmen einer retrospektiven Arbeit DXA-Werte (laterale und anteroposteriore Darstellung) und QCT-Werte von 240 postmenopausalen Patientinnen hinsichtlich einer Frakturmanifestation (25). Die Ergebnisse aller drei Messmethoden waren dabei statistisch signifikant mit dem Auftreten einer osteoporotischen Fraktur assoziiert (25).

Zusätzlich wurde in zwei Arbeiten die im Rahmen der Frakturdiagnostik vorliegende CT der LWS als Nachweismethode für Osteoporose untersucht (29, 30). Dabei wurde durch eine Untersuchung an einer Kohorte eine Spezifität von > 90 % nachgewiesen, falls geringe „Hounsfield units“ (HU) von < 110 vorlagen (29).

Li et al. (31) wiesen beim Vergleich zwischen Verwendung von Aktivorthesen oder von weichen Lumbalorthesen eine vergleichbare statistisch signifikante Reduktion der Schmerzen und Funktionsverbesserung ohne Zunahme der Kyphose nach, wobei keine orthesenfreie Patientengruppe eingeschlossen wurde. Meccariello et al. (32) verglichen in einer prospektiven Case-Control-Studie die konservative Therapie mit einer Aktivorthese und einem 3-Punkt-Stütz-Korsett. Dabei ließen sich nach drei und sechs Monaten bei Behandlung mit Aktivorthese eine statistisch signifikante Verbesserung der Schmerzsituation (im Durchschnitt auf der visuelle Analogskala [VAS] Schmerz nach sechs Monaten in der Aktivorthesengruppe um 1,7 niedriger; p < 0,05) und der Lebensqualität (Unterschied im OLBPDQ-Score [OLBPDQ, Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire] von 6,1 nach sechs Monaten) ohne statistisch signifikante Unterschiede im radiologischen Outcome aufzeigen.

Lediglich eine Studie beschäftigte sich als prospektive Verlaufsstudie mit einem präzisen analgetischen Therapiealgorithmus unter Verwendung des WHO-Stufenschemas im Rahmen einer konservativen Therapie (33).

Spechbach et al. (34) waren in der Lage, anhand einer groß angelegten prospektiven Fall-Kontroll-Studie Vorteile einer bereits stationär eingeleiteten antiosteoporotischen Diagnostik und Therapie nachzuweisen, was sich auch in einem deutlich höheren Prozentsatz an Arzneiverordnungen nach sechs Monaten äußerte (69 % versus 27 %).

Physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen

Mit physiotherapeutischen und physikalischen Maßnahmen befassen sich sieben Level-I/II-Studien (Tabelle 2 ; 35–40, e1). Dabei zeigte sich eine moderate Evidenz, dass durch körperliches Training eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Gleichgewichtsvermögen, Kraft- und Ausdauerleistungsfähigkeit der Rückenstreckmuskulatur) sowie die Reduktion von Schmerzen und Sturzangst erreicht werden können; jedoch wiesen diese Studien Limitation auf (35, 36, 37, 38, 39).

Stanghelle et al. (36) konnten in einer randomisierten kontrollierten Level-II-Studie positive Effekte im Rahmen eines physiotherapeutischen Kraft- und Balancetrainings für Sekundäreffekte, wie unter anderem für das Gleichgewichtsvermögen, nachweisen, nicht aber für den primären Zielparameter Ganggeschwindigkeit. Evstigneeva et al. (37) berichteten in einer randomisierten kontrollierten Level-II-Studie über statistisch signifikante Verbesserungen in Bezug auf Lebensqualität, Mobilität und Gleichgewicht (nach zwölf Monaten: QUALLEFO-41-Score: 44,6 ± 7,8 in der Trainingsgruppe versus 56,6 ± 9,4 in der Kontrollgruppe; p < 0,0001 [QUALEFFO, Quality-of-life questionnaire]), wobei Patienten mit sechs Monate alten Frakturen eingeschlossen wurden und in der Kontrollgruppe nichts über die genauen Alltagsaktivitäten dokumentiert ist.

Giangregorio et al. (40) konnten in einer randomisierten kontrollierten Level-II-Studie im Rahmen eines täglichen Heimübungsprogramms über zwölf Monate im Vergleich zur Kontrollgruppe keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Zahl der Stürze und auf weitere Frakturen nachweisen, wobei sich die Studienpopulation in der Mehrzahl aus Hochrisikopatienten zusammensetzte und die Therapietreue mit 66 % gering war. Barker et al. (e1) beobachteten in einer Level-I-Studie im Rahmen eines Heimübungsprogramms über einen Zeitraum von zwölf Wochen nach vier Monaten vor allem bei den unter 70-jährigen eine verbesserte Ausdauerleistungsfähigkeit und Mobilität. Diese Vorteile waren nach zwölf Monaten nicht mehr feststellbar, wobei die meisten Teilnehmer die geplante Übungsintensität nicht erreichten und die Therapietreue unzureichend war.

Die Initialtherapie nach einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur untersuchten Weerink et al. (e2) in einer prospektiven Studie an 106 Patienten. Insbesondere Patienten unter 80 Jahren zeigten mehrheitlich gute funktionelle Ergebnisse nach konservativer Therapie. Dabei konnte kein funktioneller Unterschied nach Frühmobilisation oder primärer Immobilisation retrospektiv nachgewiesen werden. Jedoch war die Komplikationsrate nach Immobilisation erhöht.

Limitierend ist, dass alle aufgelisteten Studien mit hohem Evidenzlevel Patienten mit unbekanntem Frakturalter oder subakuten Frakturen (> 3 Monate) einschlossen und somit die Primärphase der konservativen Therapie nicht abbildeten. Insgesamt konnten überwiegend positive Effekte für eine frühzeitig einsetzende Bewegungs-/Physiotherapie gezeigt werden, wobei die Aussagekraft über die optimale Therapiedichte, Therapielänge und spezifische Therapieeinheiten unzureichend ist.

In der aktuellen Literatur konnten hierzu keine Studien gefunden werden.

Insgesamt hat sich zur Einteilung der osteoporotischen Frakturen die OF-Klassifikation aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht als einfach anwendbar und chirurgisch relevant erwiesen (5). Sie dient als Basis eines ebenfalls von der „Sektion Wirbelsäule“ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) entwickelten Scores für die therapeutische Indikation und den sich daraus ergebenden chirurgischen Maßnahmen (e8). Daraus sind eindeutige Operationsindikationen bei relevanter Frakturinstabilität und bei neurologischen Defiziten ableitbar. Zur Beurteilung der Frakturmorphologie und Frakturstabilität ist eine CT erforderlich (6).

Falls eine konservative Therapie begonnen wird, sind regelmäßige Kontrollen angezeigt. Die Autoren dieser Arbeit empfehlen radiologische Kontrollen im Stehen nach Mobilisation sowie nach einer, drei und sechs Wochen sowie bei anhaltenden Beschwerden auch im späteren Verlauf.

Bei der Feststellung einer osteoporotischen Fraktur sind bei bis zu 80 % der betroffenen Patienten weder eine Knochendichtemessung noch eine spezifische Therapie der Osteoporose durchgeführt worden (e9). Für die Osteoporosediagnostik empfiehlt der Dachverband Osteologie eine Basisdiagnostik nach multiplen leichten Frakturen oder nach singulären moderaten und schweren Frakturen (e10). Die Einteilung der Frakturen erfolgt dabei anhand der Klassifikation nach Genant (7). Die Chance, an Osteoporose zu leiden, ist bei zwei oder mehr Wirbelkörperfrakturen 1. Grades (20–25 % Höhenminderung des Wirbels) beziehungsweise nach einem oder mehreren Wirbelkörperfrakturen 2. oder 3. Grades (Höhenminderung > 25 beziehungsweise 40 %) um das 2- bis > 10-Fache erhöht. So liegt das Odds Ratio für das Vorliegen einer Osteoporose bei drei Wirbelkörperfrakturen bei 21,2 (95-%-Konfidenzintervall: [7,1; 63,6]; 47,6 % der Betroffenen) sowie bei einer Fraktur mit 4-gradiger Wirbelkörperfraktur bei 22,2 [8,3; 58,8] (24). Das relative Risiko für das Auftreten einer Fraktur ist in eTabelle 4 dargestellt.

Die Erfassung des Gesamtrisikos erfolgt auf Basis einer speziellen Anamnese mit Beachtung der Risikofaktoren, der klinischen Untersuchung, der Laboruntersuchungen zum Ausschluss einer sekundären Osteoporose, der Röntgenbilder und einer Knochendichtemessung mittels DXA-Verfahren. Da ab zweitgradigen Frakturen das Risiko für Folgefrakturen stark erhöht ist, reicht in diesen Fällen der Ausschluss von sekundären Osteoporosen und von Kontraindikation gegen die medikamentöse Therapie aus, um auch ohne Knochendichtemessung die initiale Therapie einleiten zu können.

Generell fehlen einheitliche Behandlungsstrategien für die Versorgung osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen aufgrund einer unzureichenden Datenlage. Ein systematisches Cochrane-Review von Gibbs et al. (e11) zeigt, dass Effekte eines körperlichen Trainings nach osteoporotischer Wirbelkörperfraktur nicht ausreichend untersucht sind.

Analog dazu ist bei der Verwendung einer Aktivorthese die optimale tägliche Anwendungsdauer nicht sicher geklärt. Jedoch scheint eine tägliche Tragedauer von 2–4 Stunden über einen Zeitraum von 3–6 Monaten am effektivsten zu sein (e12). Insgesamt gibt es Hinweise, dass jede/r zweite Patient/in nach osteoporotischer Wirbelkörperfraktur eine Chronifizierung der Schmerzen erleiden kann (e13). Generell ist die spezifische Analgesie im Rahmen der konservativen Therapie von osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen unzureichend definiert, jedoch sind schmerztherapeutische Basismaßnahmen bei Osteoporose in der DVO-Leitlinie aufgeführt (e10).

In der Mehrzahl der Studien zur medikamentösen antiosteoporotischen Therapie sind nicht ausschließlich Patienten mit osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen eingeschlossen, sodass diese im Review nicht berücksichtigt wurden, jedoch hier punktuell diskutiert werden. Die Indikationsstellung zur antiosteoporotischen Therapie ist bei fehlenden Risikofaktoren in eTabelle 5 aufgeführt. Für die detaillierte individuelle medikamentöse antiosteoporotische Therapieplanung wird auf die aktuelle Leitlinie des DVO verwiesen (e10). Generell sollte man sich bei der Auswahl des verwendeten spezifischen Wirkstoffs am jeweiligen Risiko des Patienten orientieren. Die Basistherapie mit Kalzium und Vitamin D wird generell empfohlen. Für die Abschätzung des individuellen Risikos sollte die Leitlinie des DVO verwendet werden (e14).

Auf Basis aktueller hoher Evidenz (Level I) mit statistisch signifikanter Risikoreduktion neuer vertebraler Frakturen im Vergleich zur Therapie mit Bisphosphonaten wurde die osteoanabole Therapie mit Teriparatid und Romosozumab bei postmenopausalen Frauen mit sehr hohem Frakturrisiko in die Therapie aufgenommen (e10, e15, e16). Gegenüber der Therapie mit Teriparatid konnte durch die Anwendung von Romosozumab auch eine statistisch signifikante Reduktion nichtvertebraler Frakturen festgestellt werden (e16). Jedoch ist aufgrund der aufgetretenen Nebenwirkungen Romosozumab nur für Frauen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen, wie Myokardinfarkt oder Apoplex, zugelassen.

Eine longitudinale Untersuchung von 1,2 Millionen Patienten konnte für antiosteoporotische Wirkstoffe eine statistisch signifikante Risikoreduktion für klinische vertebrale Frakturen innerhalb von zwölf Monaten nachweisen (e17). So betrug die relative Abnahme des Frakturrisikos durch den osteoanabolen Wirkstoff Teriparatid 64 %, durch eine antiresorptive Therapie mit Bisphosphonaten 23 % und durch Denosumab 51 % (e17).

Zusammengefasst sind die zügige Diagnostik und medikamentöse Therapieeinleitung wesentliche Bausteine der konservativen Therapie von osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen, die möglichst schon in der Akutphase initiiert werden sollte. Die Auswahl des jeweiligen Medikaments sollte vor dem Hintergrund des Risikos des Patienten (unter anderem Gefahr der Kiefernekrose) und der Kontraindikationen individuell erfolgen.

Die Primärdiagnostik ist konventionell radiologisch durchzuführen. Bei Frakturverdacht sind Magnetresonanztomografie und Computertomografie indiziert. Regelmäßige radiologische Kontrollen sind nach 1, 3, 6, 12 und 26 Wochen sinnvoll. Eine antiosteoporotische Diagnostik und Therapie ist einzuleiten. Frühzeitig soll mit Physiotherapie begonnen werden. Der Einsatz von Aktivorthesen kann sinnvoll sein.

Interessenkonflikt Prof. Heyde erhielt Lizenzgebühren und Honorare für Beratertätigkeit von der Firma Medacta International.

Prof. Maus erhielt Honorare für Beratertätigkeit und Vorträge von den Firmen UCB, Amgen, Theramex, Lilly, Alexion und Kyowa Kirin.

PD Osterhoff erhielt Honorare für Beratertätigkeit von der Firma Medtronic.

Dr. Schnake erhielt Berater- und Autorenhonorar von der Firma Ottobock.

Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten eingereicht: 12. 2. 2021, revidierte Fassung angenommen: 13. 7. 2021

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Ulrich Spiegl Universitätsklinik Leipzig Klinik und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Plastische Chirurgie Liebigstr. 20, 04103 Leipzig uli.spiegl@gmx.de

Zitierweise Spiegl U, Bork H, Grüninger S, Maus U, Osterhoff G, Scheyerer MJ, Pieroh P, Schnoor J, Heyde CE, Schnake KJ: Osteoporotic fractures of the thoracic and lumbar vertebrae: diagnosis and conservative treatment—a systematic review. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 670–7. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0295

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter: www.aerzteblatt-international.de

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